Die Kinderfreundlichkeit unserer Gesellschaft darf vor dem Individualverkehr nicht halt machen.

Wie kaum eine andere Technologie haben Autos das Gesicht unsere Städte und Gemeinden verändert. Überdimensionierte Straßen und Kreuzungen sind nicht nur baukulturelle Zumutungen, sondern – was viel schwerer wiegt - schränken die Entwicklungsbedingungen von Kindern und Jugendlichen drastisch ein. Es gehen nicht nur Freiflächen unwiederbringlich verloren, großdimensionierte und stark befahrene Straßen wirken für Kinder als unüberwindbare Barrieren. Sie durchtrennen soziale Beziehungen und verhindern, dass Kinder sich selbständig in der Stadt bewegen können. Die Folgen sind mit den Begriffen „Verinselung“ und „Verhäuslichung“ von Kindheit bekannt und hinreichend beschrieben. Eltern bewegen Kinder zunehmend mit dem Auto zur Schule, zur Kindertagesstätte und zu Freunden. Nach ihren Beweggründen befragt, geben Eltern die Gefährlichkeit des Straßenverkehrs an und werden damit Teil eines sich selbst verstärkenden Kreislaufs. Wir halten fest: Der Verkehr ist die Hauptursache für die zunehmende Verdrängung von Kindern aus öffentlichen Räumen. Die Folgen von Verkehrsmaßnahmen auf die Umwelt werden abgeschätzt, eine vergleichbare Folgenabschätzung für Kinder gibt es nicht. So kann z.B. eine gelbgepunktete Kreuzkröte jedes Verkehrsprojekt verhindern – bei einer Bebauungsplanung einer naturnahen Brache wird deren Bedeutung als naturnaher Spielraum weder thematisiert noch in die planerische Abwägung einbezogen.

Doch es gibt sie – erste Ansätze einer teilweisen Rückgewinnung der Straße als Spiel- Begegnungs- und Bewegungsraum. Zum Beispiel das Freiburger Modell. Innerhalb verkehrsberuhigter Zonen werden Teilflächen „herausgeschnitten“, von parkenden Autos freigehalten und den Kindern zum Spielen zurückgegeben. Die Rückgewinnung von Teilräumen erfolgt hier ohne durchgreifende Rückbaumaßnahmen. Oder in Frankfurt Nordend: dort werden in regelmäßigen Abständen Straßen temporär für den fließenden Verkehr gesperrt und mit Unterstützung mobiler spielpädagogischer Angebote bespielt. Durch temporäre Aktionen werden Asphaltflächen ohne investive bauliche Maßnahmen für Spiel und Bewegung zurück gewonnen.

Die Einzelprojekte im Handlungsfeld der Verkehrsplanung sind Versuche, das Verkehrssystem punktuell nachzubessern. Sie kosten viel Kraft und bringen dennoch „nur“ kleine Insellösungen hervor – gleichwohl sind sie sinnvoll und in ihrer Bedeutung hoch einzuschätzen. Gleichzeitig gilt: Ohne eine grundlegende Umorientierung der Verkehrsplanung lässt sich die Leitidee einer kinder- und jugendfreundlichen Stadtplanung nicht umsetzen.
Werden weiterhin Städte und Gemeinden für Autos geplant, bleibt die kinderfreundliche Stadtplanung eine Insellösung – Spielräume, eingeklemmt und für Kinder kaum erreichbar zwischen Straßen.

Wir stellen fest: In der Praxis gibt es ein eklatantes Vollzugsdefizit von bestehenden Gesetzen und Normen. Nur dann, wenn die Diskussion und das strategische Handeln aus der kinderpolitischen Nische herauskommt und sich verbindet mit den neuen Strategien nachhaltiger Stadtentwicklung, lässt sich die Kraft zum Umsteuern entfalten. Die Initiativen zur Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden gilt es mit dem Qualitätsziel der Kinderfreundlichkeit zu verknüpfen. Wie die Architektur und der Städtebau ist auch die Verkehrsplanung mit der sozialen Frage eng verknüpft – Kinderfreundlichkeit ist hierfür der geeignete Leitindikator. Nicht zuletzt zeigt sich mit Blick auf die innovativen und intelligenten Städtebauprojekte unter dem Dach von One Planet Cities: Die meisten Vorhaben sind autofrei!

Peter Apel
Planungsbüro Stadtkinder, Dortmund
www.stadt-kinder.de

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