Dr. Christiane Richard-Elsner beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Draußenspiel. Sie leitet die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Draußenkinder des ABA Fachverbands, wo sie sich dafür einsetzt, das Draußenspiel gesellschaftlich stärker zu verankern. Darüber hinaus ist sie Beirätin im Bündnis Recht auf Spiel.
In ihrer Arbeit verbindet sie wissenschaftliche Forschung, pädagogische Praxis und politisches Engagement. In ihrem im Beltz Verlag erschienen Buch “Draußen spielen” hält sie ein Plädoyer für Räume und Zeiten, in denen Kinder ihre Umwelt ausprobierend erkunden, eigene Regeln finden und selbstwirksam handeln können.
1. Sie beschäftigen sich in Ihrer Arbeit intensiv mit dem Thema Draußenspiel. Was versteht man genau darunter, warum ist es für Kinder so wichtig und wie setzen Sie sich dafür ein?
Draußenspiel ist freies Spiel im Freien, beispielsweise Verstecken, Fangen oder Buden bauen und Ähnliches. Kinder, die frei draußen spielen gehen eigenständig und kreativ mit dem um, was sie in ihrer natürlichen und sozialen Umgebung vorfinden. Die natürliche Umgebung kann die Straße sein, der Garten, ein Wald, ein Spielplatz oder die Außenfläche eines Kindergartens, je nachdem welche Umgebung da ist. Deshalb ist eine vielfältige Umgebung wichtig.
Erwachsene setzen beim Draußenspiel Rahmenbedingungen. Sie definieren Räume, Bedingungen und setzen Grenzen. Enge Grenzen wären beispielsweise der Schulhof oder der Spielplatz. Etwas weitere Grenzen wären, wenn die Kinder den Spielplatz verlassen und in den Wald oder auf die Wiese gehen könnten. Die Eltern legen diese Grenzen fest und verlassen sich darauf, dass die Kinder sich daran halten. Mit zunehmendem Alter kommt es dann auch schon mal zu Grenzüberschreitungen, aber daran wachsen Kinder. Wichtig dabei ist auch, dass Kinder selbstständig Entscheidungen treffen können.
Wozu ist das gut? Es schult oder übt den Körper. Wir haben leider seit etwa 30 Jahren das Thema Bewegungsmangel bei Kindern. Das war vorher in dem Maße kein Problem, weil Kinder damals in unserer Kultur frei spielen konnten. Kinder, die frei spielen, bewegen sich auch sehr viel. Sie schulen ihren Körper und ihre Motorik auf vielfältige Weise und wie sie gerade Lust haben.
Auch die Psyche wird dadurch gestärkt. Ein wichtiges Stichwort sind Selbstwirksamkeitserfahrungen. Kinder machen sehr viele Erfahrungen mit sich selbst und mit ihrer Umgebung. Sie verbinden sich auf sehr kreative Weise mit ihrer Umgebung und haben dabei immer den optimistischen Ausblick, dass sie ihre Grenzen nach oben verschieben können. Wenn ich mich zum Beispiel nicht traue, auf einem Baumstamm zu balancieren, probiere ich es immer wieder und irgendwann klappt es.
Soziales Lernen spielt auch eine große Rolle, weil Kinder gerne mit anderen Kindern spielen – egal ob mit Gleichaltrigen oder auch mit Älteren oder Jüngeren. Sie machen dabei sehr viele soziale Erfahrungen. Was ich immer wieder gerne empfehle, ist, die Kinder zu beobachten, wenn sie frei spielen. Das ganze Spiel ist eigentlich eine einzige Verhandlung: Wer spielt? Was wird gespielt? Wer spielt welche Rolle? Wie wird das Spiel vorangetrieben? Und ganz wichtig: Was ist fair und was nicht? Was gehört zum Spiel, was nicht? Das wird immer wieder ausdiskutiert. Dazu muss man kompromissfähig und durchsetzungsfähig sein. Außerdem ist es eine sehr gute Sprachförderung. Es gibt auch viele Erlebnisse, die die Kinder teilen möchten, wodurch viel gesprochen wird.
Aber auch Ruhe und Erholung sind wichtige Punkte. Häufig ist es so, dass wir eine sehr durchgetaktete Kindheit haben. Es gibt z.B. Kinder, die in einer Ganztagseinrichtung sind, in der es viele Fördermaßnahmen gibt, wo vielleicht noch ein Sportverein nachgeschaltet wird. Das ist für Kinder sehr anspruchsvoll und gerade eben nicht das, was frei Spielen bedeutet. Deshalb brauchen Kinder Ruhe und Erholung, damit Inhalte aus dem Schulunterricht sich setzen und die Kinder dann selbst auf neue kreative Ideen kommen.
Tatsächlich fördert das Spiel in der Natur die Kreativität am besten, da es dort definitionsoffene Materialien gibt. Mit einem Stock kann man zum Beispiel angeln oder Buden bauen. Etwas selbst mit Materialien zu gestalten, ist ein wichtiger Punkt. Das ist auf Spielplätzen außer in Sandkästen, nicht möglich. Kinder brauchen eigene Ecken, die sie kreativ nutzen können – egal, ob ein Erwachsener erkennt, was sie da gerade bauen oder nicht. Für Kinder sind gestaltbare Räume wichtig, weshalb Naturräume so wichtig sind.
Schlussendlich ist Spielen etwas ganz Normales – ein Kinderbedürfnis. Auch Tierkinder spielen. Das „Bündnis Recht auf Spiel“ hat das Recht auf Spiel schon im Namen. Kinder haben also ein Recht auf Spiel, weil es ihnen sehr guttut und es ein Kinderbedürfnis ist.
Die Arbeitsgruppe Draußenkinder ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe. Sie umfasst verschiedene Fachdisziplinen, wie Sportwissenschaften, Pädagogik, Sozialwissenschaften, Natur- und Umweltwissenschaften und Stadtplanung. Wir betreiben Öffentlichkeitsarbeit, bieten Vorträge an, betreuen eine Internetseite führen alle zwei Jahre einen Fachtag durch und betreiben politische Lobbyarbeit auf Landes- und Bundesebene.
Das gesamte Interview kann hier weitergelesen werden:

