Im Zuge der höher eingeschätzten Bedeutung von Nachhaltigkeit ist auch das eigene Wissen dazu in den letzten vier Jahren leicht angestiegen, so die Selbsteinschätzung der jungen Menschen. Sie bewerten ihr Wissen durchschnittlich noch immer mit der Schulnote 3, befriedigend, jedoch mit leichter Verbesserung (von 2,98 vor vier Jahren hin zu 2,75). Die kleine Gruppe derer, die laut Selbsteinschätzung nicht wissen, was mit Nachhaltigkeit gemeint ist, hat sich mehr als halbiert (von 5 % im Jahr 2018 auf 2 % in 2022). Bei den Lehrkräften verbesserte sich das selbsteingeschätzte Wissen über Nachhaltigkeit in diesem Zeitraum stärker, von der Schulnote 3,2 auf 2,6. Ihren Zuwachs an Wissen zu dem Bildungskonzept BNE schätzen sie als etwas geringer ein (von der Schulnote 3,2 auf nun 2,9).

Neben Wissen ist Problembewusstsein zentral für nachhaltigkeitsbezogene Lösungskompetenzen. Andere Studien zeigen bereits, dass dies gesamtgesellschaftlich deutlich ausgeprägt ist und in den letzten Jahren weiter zugenommen hat (Umweltbundesamt, 2022). Für die vorliegende Studie wurde erstmals im Jahr 2022 danach gefragt, wie groß die aktuellen Nachhaltigkeitsprobleme sind. Junge Menschen als auch Lehrende weisen durchschnittlich ein hohes bis sehr hohes Problembewusstsein in Bezug auf Nachhaltigkeit auf. Während der Maximalwert 10 der Einschätzung entspricht, dass es extrem große Probleme gibt, die die gesamte Menschheit und die Ökosysteme stark gefährden, liegen die Durchschnittsantworten in beiden Gruppen bei 7,7. Bei einer eher überschaubaren Gruppe, 14 % der jungen Menschen und 12 % der Lehrkräfte, bewegt sich die Problemwahrnehmung im Bereich zwischen „einigen Problemen, die Teile der Menschheit und der Umwelt gefährden“ (entspricht dem Wert 5) und der Ansicht, dass es keine relevanten Nachhaltigkeitsprobleme gibt. Damit wird deutlich, dass Nicht-Nachhaltigkeit von den meisten Menschen nicht (mehr) als Problem von bestimmten Teilen der Weltbevölkerung, in bestimmten Regionen oder z.B. Einkommensschichten wahrgenommen wird, sondern, der wissenschaftlichen Erkenntnislage entsprechend, als etwas, das die Lebensgrundlagen der Menschheit als solche gefährdet.

Ein Vergleich der jungen Menschen mit dem höchsten (Wert = 10) und dem niedrigsten Problembewusstsein (Wert zwischen 0 und 5) zeigt, dass ein hohes Problembewusstsein mit deutlich nachhaltigerem Verhalten, wesentlich ausgeprägteren nachhaltigkeitsbezogenen Emotionen, positiveren Einstellungen in Bezug auf Nachhaltigkeit sowie einer höheren Verantwortungsübernahme für Nachhaltigkeitsprobleme einhergeht.

Erstmalig wurde in der aktuellen Erhebung auch die persönliche Betroffenheit von Nachhaltigkeitsherausforderungen in den nächsten Jahrzehnten erfragt. Sowohl junge Menschen als auch Lehrkräfte erwarten durchschnittlich persönliche negative Auswirkungen durch Nachhaltigkeitsprobleme (M = 6,0 auf einer Skala von 0, keine negativen Auswirkungen bis 10, massive negative Auswirkungen). Dies kann im Kontext der allgemeinen Wahrnehmung einer Zukunft gesehen werden, die auch für das eigene Leben in vergleichsweise reichen Industrienationen teils deutliche Entbehrungen nach sich zieht. Dabei zeigt sich, dass Befragte, die einen stärkeren Einfluss von Nachhaltigkeitskrisen auf ihr eigenes Leben erwarten, mehr Verantwortung für Nachhaltigkeit übernehmen wollen und nachhaltiger handeln.

Die Umweltpsychologie analysiert seit Jahrzehnten, was bei Menschen dazu führt, dass sie sich umweltbewusst oder nachhaltig verhalten. Eine zentrale Erkenntnis ist, dass Wissen allein nicht zu nachhaltigem Handeln führt (Klöckner, 2013). In den letzten Jahren wurde vielfach die hohe Bedeutsamkeit von Emotionen unterstrichen, um vom Wissen ins Handeln zu kommen (z.B. Carmi et al., 2015). Wie bereits bei der Erhebung vor vier Jahren (siehe Grund & Brock, 2020) wurde die Relevanz von verschiedenen psychologischen Variablen (nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen, Emotionen, Problembewusstsein, Verbundenheit zur Natur und zur Menschheit) und sozioökonomischen Variablen (Geschlecht, Alter, monatlich zur Verfügung stehendes Geld) für nachhaltiges Verhalten bei jungen Menschen untersucht. Das Ausmaß der Begegnung mit BNE in der formalen Bildung wurde ebenso beachtet. Wie bereits im Jahr 2018 zeigte sich erneut, dass nachhaltiges Handeln am stärksten mit zwei Dimensionen zusammenhängt: nachhaltigkeitsbezogene Emotionen19 (z.B. Gefühle wie Sorge, Ärger und Stolz bezogen auf (nicht) nachhaltiges Verhalten von sich und von anderen) sowie Naturverbundenheit. Die jungen Menschen gelangen dementsprechend nicht über rein rationales Verstehen, sondern über emotionale Resonanz zu stärkerem Engagement. Das Ausmaß der Begegnung mit BNE auf der inhaltlichen Ebene steht ebenso in Zusammenhang mit nachhaltigem Verhalten. Demnach verhalten sich junge Menschen, die in ihrer Bildungsinstitution mehr Nachhaltigkeit begegnen, tendenziell auch nachhaltiger (hierbei können jedoch keine kausalen Aussagen getroffen werden). Darüber hinaus zeigt sich ein geringer positiver Zusammenhang von nachhaltigem Verhalten mit Problembewusstsein, nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen, dem Alter (mehr nachhaltiges Verhalten bei älteren Jugendlichen) und der Verbundenheit zur Menschheit.

Hier gelangen Sie zur vollständigen Studie.

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