Am 28. Mai ist Weltspieltag. Dieser Aktionstag wird jährlich in ganz Deutschland gefeiert und außerdem in Österreich und in der Schweiz. In diesem Jahr steht das inklusive Spiel besonders im Fokus. Claudia Neumann vom Deutschen Kinderhilfswerk erklärt, warum das dringend nötig ist.
Am Weltspieltag finden Aktionen statt … in Städten, in Gemeinden, in Schulen und Kitas, in sozialen Einrichtungen und Vereinen. Eben überall dort, wo Menschen mitmachen und feiern möchten. Dadurch soll auf das „Recht auf Spiel“, so wie es in der UN-Kinderrechtskonvention drinsteht, hingewiesen werden. In diesem Jahr lautet das Motto des Weltspieltages „Schluss mit der Einfalt. Es lebe die Vielfalt.“ und der Schwerpunkt liegt auf dem inklusiven Spiel.
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Claudia Neumann – Referentin für Spiel- und Bewegungsförderung beim Deutschen Kinderhilfswerk – findet das richtig: „Spielen überwindet Grenzen. Und das wäre so wunderbar, diese Grenze zwischen Kindern mit und ohne Behinderung einfach spielerisch zu überwinden und dass es dann den Kindern total egal ist, weil sie dort alle gemeinsam spielen können und diese Grenzen gar nicht mehr sehen. Wir wollten dieses Jahr ganz bewusst das Thema inklusives Spiel in den Fokus rücken, weil wir der Ansicht sind, dass da noch viel zu wenig in Deutschland getan wird.“
WIR BRAUCHEN MEHR INKLUSIVE SPIELPLÄTZE
Bisher gibt es zwar einzelne inklusive Modellprojekte und Leuchtturm-Spielplätze. Aber damit Spielplätze möglichst überall vielfältiger und vor allem inklusiver werden, wäre es noch wichtiger, so die Spielplatz-Expertin, dass bei jedem Spielplatz-Neubau und bei jeder Spielplatzsanierung die „Inklusionsbrille“ aufgesetzt wird und sich „Kommunen selbst die Pflicht auferlegen, dass sie bei der Gestaltung inklusive Aspekte berücksichtigen müssen.“
Völlig klar, dass nicht jeder Spielplatz-Neubau über ein riesiges Budget verfügt und nicht immer und überall können inklusive Spielgeräte hingestellt werden. Trotzdem sollten alle Spielplätze – auch die bestehenden – genauer unter die Lupe genommen und geschaut werden, was verbessert werden kann. Manchmal sind es schon kleine Umbauten, die den Unterschied machen, sagt Claudia Neumann, wie beispielsweise Zustiege erleichtern, Stufen anders setzen, Wegeführungen anpassen.
NICHT JEDES SPIELGERÄT FÜR JEDES KIND
Dabei geht es nicht darum, dass auf einem inklusiven Spielplatz jedes Kind jedes Gerät nutzen kann. Sondern es geht darum, allen Kindern gemeinsame Spielgelegenheiten und Herausforderungen zu ermöglichen. „Das Kind ohne Behinderung kann dann an dem einen Gerät vielleicht ein bisschen was anderes machen als das Kind mit Handicap. Aber sie können sich dort treffen, für jeden ist was dabei und jeder ist überhaupt erstmal in der Lage, den Spielplatz zu erreichen. Dieses Verständnis, muss sich beim Thema Inklusion durchsetzen.“, davon ist Claudia Neumann überzeugt. Kinder mit Behinderungen betrifft es übrigens genauso wie begleitende Erwachsene, die ihre Kinder nicht beim Spiel begleiten können, was gerade bei jüngeren Kindern noch nötig ist.
Die besondere Herausforderung besteht darin, wirklich alle mitzunehmen. Denn es gibt vielfältige Einschränkungen, nicht nur Kinder oder Begleitpersonen im Rollstuhl. Es gibt Sehbehinderungen, Hörbehinderungen, geistige Einschränkungen, Wahrnehmungseinschränkungen oder auch sprachliche Barrieren. „Also, ich glaube, da gibt es ganz viele Aspekte, die man noch gar nicht so im Kopf hat. Und das überhaupt in den Blick zu nehmen, und dafür offen zu sein und das in eine Routine zu überführen, davon sind wir noch sehr weit entfernt.“ sagt Claudia Neumann.
SPIELRÄUME ZUR VERPFLICHTENDEN AUFGABE MACHEN
Ein großes Hindernis sieht die Spielplatz-Expertin in der fehlenden Verpflichtung: „Kommunen sind ja selbst vom Gesetzgeber überhaupt nicht dazu verpflichtet, sich um Spielplätze zu kümmern.“ Die Folge: Die Budgets für Spielplätze sind meistens sehr knapp bemessen, vielerorts fehlt es an Personal oder Qualifizierung und wenn es eng wird in den Haushaltskassen, wird vielerorts zuerst bei den „freiwilligen Leistungen“ gekürzt.
Wie viel eine Kommune für Spielplätze ausgibt, hat dann eben leider viel zu häufig „etwas mit dem politischen Willen zu tun und mit dem Stellenwert, den man dem Recht auf Spiel gibt. Ob in der Kommune, in der Stadtverwaltung, bis hoch in die oberste Verwaltungsspitze angekommen ist, wie wichtig Spielräume für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sind“, ärgert sich Claudia Neumann.
Wenn es nach dem Deutschen Kinderhilfswerk ginge, wären die Spielplätze in Zukunft genauso Pflichtaufgabe einer Kommune wie beispielsweise die Wasserversorgung, der Straßenbau oder die Müllabfuhr. Claudia Neumann will das auch nicht als Vorwurf gegen einzelne Mitarbeitenden in den Ämtern verstehen wissen. Sondern eher Vorwurf gegenüber den politischen Verantwortlichen in den Kommunen, Landes- und Bundesregierungen, die aus ihrer Sicht generell dem Recht auf Spiel einen zu geringen Stellenwert beimessen.
Wenn man möchte, dass sich in den Kommunen diesbezüglich mehr bewegt, dann muss man stärker unterstützen, davon ist Claudia Neumann überzeugt: „Wir sagen immer fordern, aber auch fördern.“ Ziel ist es, dafür zu sorgen, zu plädieren und zu lobbyieren, dass die Mitarbeitenden zukünftig den Raum und das Budget dafür bekommen.
WIE SIEHT INKLUSION AUS? ES FEHLT AN KONKRETEN VORGABEN
Außerdem schwierig: Es fehlen konkrete Vorgaben oder Kriterien, anhand derer sich verbindlich beurteilen lässt, wie inklusiv ein Spielplatz ist bzw. was er bieten muss, um inklusiv zu sein. Die DIN-Normen für Spielplätze enthalten zwar durchaus Aussagen zum inklusiven Spielraum, aber, so bemängelt Claudia Neumann, „das ist ja nun auch kein Gesetz. Das ist Stand der Technik und Norm, die ein vernünftiger Spielplatzplaner natürlich berücksichtigen sollte. Aber auch da ist ja niemand dazu wirklich verpflichtet.“ Deshalb begrüßt sie die Entwicklung, dass der DIN-Normungsausschuss gerade daran arbeitet, eine konkrete Bewertungsmatrix zu erstellen, um den Kommunen dazu mehr an die Hand zu geben.
Ein besonders interessanter Ansatz kommt dazu auch aus Nürnberg. Die Stadt hat sich letztes Jahr selbst per Satzung verbindliche Leitlinien auferlegt und Bewertungsmatrizen für ihre Spielplätze erarbeitet – übrigens in enger Zusammenarbeit mit dem DIN-Normungsausschuss. Regelmäßig gibt es dazu kostenlose Online-Schulungen für Interessierte in anderen Städten und Kommunen, um die Erfahrungen zu teilen.
DAS KINDERSPIEL BRAUCHT EINE STARKE LOBBY
Veränderungen passieren nicht über Nacht. Trotzdem ist es wichtig, sich jetzt auf den Weg zu machen. Auch wenn es sich vielerorts so anfühlt, als gäbe es für Inklusion überhaupt gar keine Spielräume. Weil doch auf so vielen Spielplätzen kaputte Spielgeräte wochenlang abgesperrt oder einfach abmontiert werden und nicht mal repariert oder ersetzt werden können, weil schlicht das Geld fehlt.
Doch der eine Belang sollte nicht gegen den andere ausgespielt werden. Es braucht den Perspektivwechsel. Claudia Neumann ist davon überzeugt, es braucht dringend mehr Sensibilisierung für das Thema, mehr Fachwissen und Knowhow. Und das nicht nur bei einer einzelnen Fachkraft, sondern flächendeckend. Das Thema gehört auch mit in die Ausbildung von Stadtplanerinnen und Stadtplanern. Und auch mehr Selbstbewusstsein würde helfen „auch in der Kommune zu sagen, wir sehen das als unsere Aufgabe an, ob das nun Pflicht ist oder nicht. Und wir setzen uns dafür ein und wir brauchen dafür Personal und wir brauchen dafür Budget und wir versuchen da alle Zuständigen in der Kommune zu überzeugen, uns diese Möglichkeiten zu geben.“
Deshalb versucht das Deutsche Kinderhilfswerk – auch mit dem Weltspieltag – immer wieder eine gewisse Aufmerksamkeit auf solche Themen zu lenken. So funktioniert eben Lobbyarbeit sagt die Spielplatz-Expertin: „Steht der Tropfen höhlt den Stein. Da müssen wir einfach immer wieder gebetsmühlenartig drauf hinweisen und mit unseren gemeinsamen Aktionen, auch am Weltspieltag, und über die Netzwerke versuchen dran zu arbeiten und mit den Akteuren zu schauen, wie können wir gemeinsam das Thema weiter voranbringen. Wichtig ist, dass nicht jeder alleine vor sich hin wurstelt und die Grabenkämpfe bestreitet, sondern dass man gemeinsam dranbleibt.“
AUCH ELTERN KÖNNEN SICH FÜR INKLUSIVE SPIELPLÄTZE STARK MACHEN
Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel kann bereits ganz klein beginnen – nämlich mit euch, wenn ihr wollt. Einfach loslegen ist die Divise. Schaut euch auf eurem Spielplatz um. Wie inklusiv ist der? Was fehlt und was sollte sich verändern? Es hilft, wenn auch Eltern sich engagieren und sich mit Inklusionsbeauftragten, mit dem Jugendamt, mit dem Kinder- und Jugendbüro oder sonstigen Interessenvertretern und Vereinen zusammentun, um die Situation vor Ort zu verbessern bzw. überhaupt erstmal vorzufühlen, wie eine Stadt oder Kommune zum Thema inklusive Spielplätze aufgestellt ist.
Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützt mit seinen Förderprogrammen auch Möglichkeiten mit einem kleineren Budget Dinge zu erreichen. „Hilfe zur Selbsthilfe“ nennt das Claudia Neumann: „Wir merken das auch immer wieder bei den Projekten, die wir mit Kleinstsummen fördern. Wenn sich eine Elterninitiative auf den Weg macht oder ein Verein, dann geht das nicht ohne, dass die Eltern dann tatkräftig mit anpacken und mit kreativen Lösungen und eben viel man- und woman-power gemeinsam etwas schaffen.“
Claudia Neumann hofft, dass es auf inklusiv gestalteten Spielplätzen bald immer normaler wird, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam auf dem Spielplatz spielen. Dass sich wirklich alle Kinder wohlfühlen und dass auch die Eltern von Kindern mit Behinderung das Gefühl haben, dass ihr Kind genauso willkommen ist und Spielfreunde findet wie ein Kind ohne Behinderung. „Das gemeinsame Kinderspiel, was eigentlich auch gar nicht einer Sprache bedarf, wo man einfach nur gemeinsam im Zweifelsfall die Hände in den Sand steckt, ist ein wunderbare Möglichkeit und dafür Wege zu finden und sich dafür einzusetzen, das ist unser Ziel.“
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